Feiertage im jüdischen Jahr

Fünf Feiertage werden in der Bibel (d.h. in der Torah) genannt, das sind die Schalosch Regalim/Wallfahrtsfeste (Pessach, Schawuoth, Sukkot) und die Jamim Nora’im/Hohen Feiertage (Rosch HaSchanah, Jom Kippur). Drei davon sind im Monat Tischrej (1. & 2. Tag Rosch HaSchanah – auch in Israel zwei Feiertage! – und Jom Kippur sowie Sukkot) => Biblische Feiertage, mit Arbeitsverbot wie am Schabbat an den Hauptfeiertagen und eingeschränktem Arbeitsverbot an Chol ha-Mo’ed (= Tage zwischen dem ersten und dem letzten Tag Pessach bzw. dem ersten und dem letzten Tag Sukkot; = „Zwischenfeiertage“).

Zwei Feste sind nachbiblische = rabbinische (talmudische) Feiertage: Purim und Chanukka; an ihnen gilt kein Arbeitsverbot (weniger „geistige“, mehr „physische“ Feste, in denen die körperliche, die physische Errettung des jüdischen Volkes gefeiert wird mit Essen und Trinken). Sie stammen aus der talmudischen Zeit. [….]

Alle Feiertage, wie jeder Tag im jüdischen Kalender, beginnen jeweils am Vorabend. Sie haben, wie schon erwähnt, neben dem religiösen oft auch einen landwirtschaftlichen Bezug, betreffend die landwirtschaftlichen bzw. klimatischen Verhältnisse im Land Israel. Die modernen politischen Feiertage haben keinen landwirtschaftlichen, wohl aber einen staatspolitischen Bezug auf den Staat Israel. So betrachtet beziehen sich alle Feste auf das jüdische Volk als Nation – mit einer Religion, d.h. einem G’tt, und einem (Heimat-)Land, nämlich Israel (und einer Sprache, nämlich Hebräisch).

Während die staatspolitischen Feiertage heute vorwiegend in Israel selbst gefeiert werden (bis auf ~ Jom Ha-Azma’ut), sind die anderen Fest- und Fasttage sowohl in Israel als auch in allen Ländern der Galut (Diaspora) gleichermaßen gültig. Ein wichtiger Unterschied ist das Feiern von 2 Tagen am 1. & 2. Tag Pessach (mit 2. Sederabend), 7. & 8. Tag Pessach, 1. & 2. Tag Schawuoth in allen Ländern der Erde außerhalb Israels, was sich auf die einstigen Unsicherheiten in der Bestimmung des Neujahrstages nach der Zerstörung des II. Tempels in der Diaspora bezieht; auch nach der endgültigen Festlegung der Feiertage wurde diese Eigenheit beibehalten – wobei Israelis, die sich in der Galut aufhalten, jeweils nur den 1. der beiden Festtage begehen, Juden aus der Galut, die sich (vorübergehend) in Erez Israel aufhalten, begehen dennoch 2 Festtage anstelle von einem. Rosch HaSchanah wird auch in Israel an zwei Tagen gefeiert, Jom Kippur auch in der Galut an nur einem Tag.

(aus „Der Feiertagszyklus im Jüdischen Jahr“ von Dr.  A.Y. Deusel mit freundlicher Genehmigung der UPJ entnommen der App „Union Progressiver Juden in Deutschland“)

Feiertage

Rosch Ha-Schanah: Neujahrsfest, am 1. und 2. Tischrej; dieser Tag ist eine Erinnerung an das Schöpfungswerk (Mischnah: Der erste Mensch wurde am 1. Tischrej erschaffen). Man nennt ihn auch Jom ha-Sikaron (Tag der Erinnerung) bzw. Jom Truah (Tag des Posaunenhalls). Von Rosch Ha-Schanah bis zum Jom Kippur wird täglich (außer am Schabbat) das Schofar geblasen. Mit dem 1. Tischrej beginnt eine zehntägige Periode der Selbstbesinnung und der Reue, d.h. er ist der Beginn der Jamim Nora’im (Tage der Ehrfurcht, im Dt.: Hohe Feiertage). Mit dem ersten Blasen des Schofars öffnet G’tt das Buch des Lebens und des Todes (Mischnah).

Zom Gedalja: 3. Tischrej; Fasttag zur Erinnerung an die Ermordung des von Nebukadnezar nach der Zerstörung des I. Tempels eingesetzten jüdischen Statthalters Gedalja und damit an das endgültige Ende des 1. Reiches.

Jom Kippur: Versöhnungstag, am 10. Tischrej; dies ist der höchste jüdische Feiertag, er wird begangen als strenger Fasttag (d.h. weder Essen noch Trinken über ca. 25 Stunden) und als Tag des Gebets. Dennoch gilt er als „froher Tag“, gewidmet der Wiederaussöhnung mit G’tt (und den Mitmenschen). Beim letzten Ton des Schofars (am Schluß des Ne’ilagebets, vor dem Fastenbrechen) schließt G’tt das Buch des Lebens und des Todes (Mischnah).

Sukkot: Laubhüttenfest, 15. bis 21. Tischrej. Das ist das Fest, das an die Wanderung durch die Wüste erinnert. Das geistige Motiv ist Bitachon, das Vertrauen des Menschen in G’ttes Schutz auf der Wanderung durch das Leben. Der 8. Tag des Festes, am 22. Tischrej, ist das Schlußfest, Schemini Azeret. Dieses wird gefolgt von Simchat Torah (s.u.), das ein eigenständiges Fest darstellt. Der landwirtschaftliche Aspekt ist die Zeit der letzten Ernte des Jahres („wenn du aufliesest von deiner Scheuer und deiner Kelter“), daher auch die Bezeichnung Chag ha-Assif, Fest des Einsammelns. Der Tag von Schemini Azeret bezeichnet den Beginn des Winterhalbjahres.

Simchat Torah: Fest der Gesetzesfreude, am 23. Tischrej. An diesem Tag wird der jährliche Zyklus der Torahlesung abgeschlossen mit dem letzten Abschnitt des 5. Buch Mose und der neue Zyklus begonnen mit Lesung des ersten Abschnitts des 1. Buch Mose.

Chanukka: Fest der Tempelweihe/Lichterfest; ein achttägiges Fest, das am 25. Kislew beginnt. Wir erinnern uns mit diesem Fest an den siegreichen Makkabäer-Aufstand gegen die syrisch- griechische Fremdherrschaft mit der Rückeroberung und Wieder-Einweihung des Tempels in Jerusalem 165 v.d.Z.; das Fest ist ein Symbol für die Wiederherstellung der politischen Unabhängigkeit des Volkes Israel und seines Landes. Es wird begangen mit der Entzündung der Chanukkia („neunarmiger Leuchter“), wobei jeden Abend eine Kerze mehr entzündet wird, bis am Schluß alle acht Kerzen plus der Schammasch („Dienerkerze“, mit der man die andern Lichter anzündet) auf dem Leuchter brennen.

Assara be-Tewet: 10. Tewet; Fasttag zum Gedenken an den Beginn der Belagerung Jerusalems durch die Babylonier unter Nebukadnezar.

Tu bi-Schwat: Neujahrstag der Bäume (15. Schwat), Zeit der Mandelbaumblüte in Israel, als dem ersten blühenden Baum. An diesem Tag pflanzen die Schulklassen in Israel Bäume. Das Fest ist charakterisiert durch das Essen von 15 verschiedenen Früchten, die im Land Israel wachsen. In talmudischer Zeit war dies der Beginn des Steuer-(pflichtigen) Jahrs (mit Absondern des Zehnten der Baumfrüchte).

Ta’anit Esther: Fasten der Esther, am 13. Adar (Tag vor Purim); erinnert an das Fasten, mit dem sich die Königin Esther darauf vorbereitete, vor König Ahasveros zu treten und um die Rettung des jüdischen Volkes zu bitten.

Purim: am 14. Adar (im Schaltjahr: Adar II). Fest zur Erinnerung an die Rettung der jüdischen Gemeinden vor ihrer Ausrottung unter persischer Herrschaft (ca. 450 v.d.Z.); in der Synagoge wird die Megillat Esther gelesen, die Kinder verkleiden sich wie im Fasching, und es ist üblich, Freunden, Nachbarn und Bekannten Gebäck und Süßigkeiten zu bringen. (Schuschan Purim: An diesem Tag feiert man in Israel Purim in den „befestigten Städten“, d.h. den Städten, die „seit den Tagen von Joschua“ Mauern hatten, z.B. Jerusalem; am 15. Adar).

Pessach: Überschreitungsfest/Fest der ungesäuerten Brote; 15. bis 22. Nissan. Fest zur Erinnerung an die Befreiung der Kinder Israels aus der ägyptischen Knechtschaft und damit die Geburt des freien jüdischen Volkes mit Kristallisation der jüdisch-nationalen Identität. Das Fest beginnt mit dem Sederabend (Gedenken an den Auszug aus Ägypten). Landwirtschaftlich markiert das Fest den Beginn der (Getreide-)Erntezeit (mit Beginn der Gerstenernte); zur Zeit des Tempels brachte man am 2. Tag Pessach ein besonderes Opfer dar, das Omer-Opfer, daher beginnt man am 2. Tag Pessach mit der Omer-Zählung (Sfirat ha-Omer). Die Omerzeit entspricht den 50 Tagen zwischen Pessach und Schawuoth. Der Tag des Sederabends (Erew Pessach) entspricht dem Beginn des Sommerhalbjahres.

Jom ha-Schoah: 27. Nissan; eigentlich Jom ha-Sikaron la-Schoah ve-la-Gvurah, Gedenktag für Untergang und Heldenmut; Holocaust-Gedenktag.

Jom ha-Sikaron: 4. Ijar, Gedenktag für die Gefallenen der Zahal, d.h. der israelischen Armee; Tag vor dem Jom ha-Azma’ut.

Jom ha-Azma’ut: Unabhängigkeitstag des modernen Staates Israel (14.05.1948/5. Ijar 5708), am 5. Ijar; staatspolitischer Feiertag (wird auch in der Diaspora gefeiert).

Lag ba-Omer: Fest der Gelehrten; entspricht dem 33. Tag im Omer (18. Ijar), erinnert an die Beendigung einer „Seuche“ unter den Schülern von Rabbi Akiva. Unterbrechung der als Trauerperiode geltenden Omerzeit, die heute begangen wird mit der Entzündung von Freudenfeuern; Kartoffeln werden an den Lagerfeuern geröstet. Die Kinder schießen mit Pfeil und Bogen (Erinnerung an die Schüler Akivas, die vielleicht doch nicht einer Krankheit, sondern im Kampf um Unabhängigkeit des jüdischen Volkes den Waffen ihrer Gegner erlegen sind – Bar Kochba-Aufstand gegen die Römer, [132 –] 135 u.Z.).

Jom Jeruschalajim: am 28. Ijar; Tag der Wiedervereinigung des geteilten Jerusalem im Sechstage-Krieg 1967, mit Wiedererlangung der jüdischen Souveränität über die Kotel (Westmauer des Tempels, „Klagemauer“) und den Tempelberg zum ersten Mal seit der Zerstörung des II. Tempels im Jahr 70 u.Z.; ursprünglich staatspolitischer Feiertag, der aber mittlerweile zunehmend auch einen religiösen Charakter erhält.

Schawuoth: am 6. und 7. Siwan; das Fest beginnt am 50. Tag im Omer (= 6. Siwan) und erinnert an die Übergabe der Gesetzestafeln am Sinai als pars pro toto für die 613 Ge- und Verbote, d.h. das befreite Volk erhält einen Rechtskodex mit Verfassungscharakter. Man nennt das Fest daher auch Sman matan toratenu (die Zeit, als uns die Torah gegeben, d.h. wörtlich eigentlich: geschenkt, wurde). Landwirtschaftlich betrachtet spricht man vom Chag ha-Katzir, dem Erntefest; es entspricht der Zeit der Weizenernte als letztem Getreide des Jahres (vgl. Buch Ruth), und gleichzeitig dem Beginn der Fruchternte mit dem Jom ha-Bikkurim, dem Tag der Erstlingsfrüchte. Zur Zeit des Tempels wurden an Schawuoth die ersten reifen Früchte als Opfer nach Jerusalem zum Tempel gebracht.

Schiv’a-Assar be-Tammus: 17. Tammus; Fasttag zum Gedenken an die Durchbrechung der Stadtmauer von Jerusalem unter der römischen Belagerung. Mit dem 17. Tammus beginnt die Trauerperiode der „drei Wochen“ bis zum 9. Aw, dem Tag der Tempelzerstörung.

Tisch’a be-Aw: 9. Aw, Tag des Fastens und der Trauer; während man Jom Kippur auch als „weißen Fasttag“ bezeichnet, ist der 9. Aw der „schwarze Fasttag“. Er erinnert an die Zerstörung des I. Tempels 586 v.d.Z. durch die Babylonier und damit den Beginn des Babylonischen Exils, sowie an die Zerstörung des II. Tempels 70 u.Z. durch die Römer mit Zerschlagung des 2. Reiches und damit der Vertreibung des jüdischen Volkes aus seinem Land und seine Zerstreuung in die Länder der Galut.

Tu be-Aw: 15. Aw; ähnlich dem „Valentinstag“ in den christlichen Ländern; ursprünglich (d.h. vor der Zerstörung des I. Tempels, damit vor der Zeit, als der Monat Aw zum „Trauermonat“ wurde) der Tag, an dem die unverheirateten Mädchen in weiße Gewänder gekleidet in die Weinberge hinausgingen, um dort zu feiern (und einen Bräutigam zu finden); kein „offizieller“ Feiertag, aber in Israel sehr beliebt.

(Text mit freundlicher Genehmigung der UPJ entnommen der App „Union Progressiver Juden in Deutschland“)